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Ich griff zum Telefon und wählte die Nummer

Autorenbild: Social FabricSocial Fabric

Elisabeth Kübler, Freiwillige Aufgezeichnet von Barbara Imobersteg für die Serie «Wie ich Social Fabric kennenlernte»


Der Artikel lag schon lange auf meinem Tisch. Am ersten Tag nach meiner Pensionierung las ich ihn gleich nach dem Frühstück.

Er handelte von Social Fabric und er gefiel mir. Ich griff zum Telefon und wählte die Nummer. Helka Mäki, Mitbegründerin von Social Fabric, nahm meinen Anruf entgegen und sagte: «Heute ist der letzte Tag vor der Sommerpause – aber wenn du jetzt kommen könntest…?» «Warum nicht», dachte ich und nahm den nächsten Zug. Ich kam mitten ins Offene Nähatelier, das voll besetzt war. Eine weitere Helferin war mehr als willkommen und ich packte sogleich mit an. Als Handarbeitslehrerin wusste ich, was zu tun war.


Das Offene Nähatelier war international und sehr lebendig und das gefiel mir.


Ich hatte mich bereits in meiner Wohngemeinde ehrenamtlich engagiert und auch mit Geflüchteten gearbeitet. Menschen aus Eritrea, Somalia, Syrien und dem Tibet kamen zu mir nach Hause um zu nähen. Bald schon durften sie mit mir an die Eichstrasse kommen, denn nach den Sommerferien wurde ich freiwillige Mitarbeiterin bei Social Fabric. Hier gab es nun auch die geeignete Infrastruktur für uns. «Wie schön, so geht es nun weiter nach meiner Pensionierung», dachte ich.


Das Offenen Nähatelier war damals noch wenig strukturiert. Alle nähten mit viel Freude und Motivation und starteten ihre diversen Projekte. Oft reichten die Nähkenntnisse nicht aus, um das Vorhaben wunschgemäss zu realisieren.


Teilnehmende und Helferinnen waren alle leicht überfordert, aber die Stimmung war gut.

Einige Geflüchtete hatten erstmals Gelegenheit mit Maschine zu nähen. Ich hörte sie jubeln und verstand, dass die Prioritäten hier anders lagen als im Unterricht, den ich von der Schule her kannte.


Gleichwohl setzte ich mich für dafür ein, dass sich die Teilnehmenden erst Grundkenntnisse aneigneten, um dann auch erfolgreich Kleidungsstücke nähen zu können. Ich dachte an einen Lehrgang für Anfänger:innen.


Helka war sofort dabei. Sie sah, dass ich versiert war und liess mich machen.


Sie liess den Menschen bei Social Fabric viel Freiraum und ermutigte sie zu Eigeninitiative. So entwickelten wir dann einen Lehrgang für Anfänger: innen, erarbeiteten Anleitungen, entwarfen entsprechende Modelle und führten auch noch ein paar Regeln ein.


Ich musste auch Abstriche machen, die Leute hatten ja keine Lernziele zu erreichen wie in der Schule und meine eigenen Perfektionsansprüche wurden oft nicht erfüllt. Alle nähten etwas anders und gemäss ihren eigenen Ansprüchen – mal exakt, mal weniger exakt. Ich war gefordert.


Ich lernte, immer mal wieder ein Auge zuzudrücken – und dafür die Offenheit, die Gemeinschaft und die Freude unter den Teilnehmenden umso mehr zu schätzen.

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